Wir haben uns langsam in den neuen Strukturen zurechtgefunden. Die Kids sind (noch immer) motiviert an ihren Aufgaben, welche sie am Dienstagabend von ihren Lehrpersonen erhalten haben, Chrigu hat nun alles Nötige aufgegleist, um auch remote mit seinem Team verbunden zu sein und auch ich hatte heute mein erstes erfolgreiches virtuelles Meeting.
Alles in allem sehen wir diese Zeit nach wie vor als Chance. Viele Punkte sprechen zurzeit für diesen Zustand namens Corona:
Wir haben mehr Zeit
Oder wir nehmen sie uns bewusster. Meara und ich starten den Tag jeweils mit 5-10 Minuten Yoga. Dies weckt den Körper und gibt uns Energie. Dann sitzen wir zu viert am Tisch und frühstücken. Wir planen den Tag, erzählen uns, was wir heute vorhaben und geniessen diese Zeit. Bei den Mädels ist vormittags dann homeschooling angesagt. Meara erledigt ihre Aufgaben sehr selbständig, braucht zwischendurch Unterstützung oder auch mal einen motivierenden Spruch, um sich nochmals hinter etwas zu klemmen oder nicht aufzugeben. Levana hat ihre Unterrichtslektionen mit Noa geplant. Sie sind entweder bei ihm oder bei uns zu Hause und erledigen ihre Aufgaben. Auch mittags setzen wir uns alle an den Tisch und essen gemeinsam, den Mittagstisch am Dienstag haben wir beibehalten und Alina, Noa und Mattia kommen zum Essen. Wichtige Strukturen, die sie kennen aus der Zeit, wo alles noch «normal» war. Nachmittags steht dann meistens Bewegung, Soziales und Kultur auf dem Programm. Spielen, Hörspiele, Unihockey-Skills erweitern, soziale (digitale) Kontakte pflegen (wer hätte gedacht, dass ich mal happy bin, wenn die Kids sich via Handy mit ihren Klassenkollegen austauschen ;-)) Am Abend wieder gemeinsames Nachtessen und einer Reflexionsrunde, wo wir uns darüber unterhalten, was wir heute alles gelernt haben, welches unser Highlight des Tages war oder auch, was uns heute besonders herausgefordert hat. Um 9 Uhr, zur gleichen Zeit wie immer – fallen die Kids müde und zufrieden ins Bett.
Wir besinnen uns aufs Wichtige
Da sind die Kids von einem auf den anderen Tag plötzlich zu Hause.. Und der Mann auch. Da sind keine Grosseltern mehr, die kochen kommen und dabei gleich noch etwas saubermachen im und ums Haus. Da gibt’s keinen Zeitrahmen mehr, wer wann wohin muss und wann wieder zurückkommt, wann der Wocheneinkauf erledigt werden muss, wann die Freundin zum Kaffee getroffen wird, wann die Yoga-Session stattfindet oder die Joggingrunde mit dem Nachbarn. Am Anfang fühlt man sich etwas verloren ob der vielen gewonnenen Zeit. Doch dann beginnt man sie anders zu nutzen, bewusster zu leben und merkt, was doch wirklich zählt im Leben. Ich erachte es gerade als riesiges Privileg, darf ich meine 12- und 10-jährige Tochter wieder so viel um mich haben wie damals, als sie noch nicht zur Schule gingen – und es ist erst noch weniger anstrengend. Erstaunlich, wieviel mehr man mittendrin ist in ihren Leben nur aus dem einfachen Grund, dass sie mehr zu Hause sind. Mir graut schon jetzt davor, sie wieder gehen lassen zu müssen. Ich könnte mich sehr an diesen Alltag gewöhnen.
Wir bleiben agil
Als ich mich vor gut zwei Jahren selbständig gemacht habe, habe ich gleich am Anfang aufgeschrieben, was ich alles anpacken will, um meine Firma erfolgreich zu machen. Eine Aufgabe auf meiner Liste war das Auseinandersetzen und Umsetzen von Video-Tutorials, um auch online aktiv zu sein. Bis heute habe ich das nie in Angriff genommen. Obwohl es mich immer sehr interessierte, war nie der richtige Zeitpunkt dafür. Jedes Mal kam was Wichtigeres dazwischen. Und wozu auch online, wenn ich ja auch analog genug Anfragen und Aufträge habe? Nun, jetzt ist es wichtig und dringend. Ich kann keine Kurse mehr durchführen mit 10 – 15 Personen in einem (physischen) Raum. Also heisst es jetzt, sich den Gegebenheiten anpassen und Angebote kreieren, die auch digital funktionieren. Ich könnte auch einfach abwarten, bis die Krise vorbei ist und dann wieder starten wie bisher. Das will ich aber nicht und deshalb erweitere ich meine Kompetenzen, lese mich in Thematiken wie Webinare, Online-Meetings und dazugehörige Software ein und werde nächste Woche ein erstes Online Meeting zum Thema «visual remote» durchführen.
Auch Chrigu lernt täglich dazu, was es heisst remote zu arbeiten. Welche Regeln der Zusammenarbeit wichtig sind, welche Hilfsmittel und Programme dabei unterstützen können. Wir sehen auch hier drin das Positive und können uns mit unserer Haltung sehr gut eingeben in diese neue Situation.
Und doch gibt es auch schwierige Punkte
Dass wir Eltern, Grosseltern, Götti, Gotte, Cousins und Cousinen nicht mehr sehen dürfen ist schwierig. Menschen, die man vorher 1-2 / Woche gesehen hat, bewegen sich nicht mehr in unserem physischen Radius. Wir versuchen die Zeit auch hier mit den Vorteilen der Digitalisierung zu überbrücken. Face-Time, Skype, Videobotschaften, zum Glück haben wir diese Möglichkeit und können so in Kontakt bleiben.
Weiter müssen wichtige Ereignisse abgesagt oder verschoben werden. Meara’s Tanzauftritt im Mai ist in den Oktober verschoben worden. Unser Städtetrip nach Paris ist ebenfalls auf unbestimmte Zeit verschoben worden und wohl auch unsere Amerikareise im Mai wird nicht stattfinden. Doch was ist schon so schlimm daran, all dies kann man zu einem späteren Zeitpunkt erneut in Angriff nehmen. Hauptsache wir bleiben gesund und können mit unserem Verhalten dazu beitragen, dass diese Krise bald ausgestanden ist.
Ja, wir bleiben zu Hause und beschränken unser «nach draussen gehen» aufs Einkaufen im Dorf, Spielen im Quartier (mit den gleichbleibenden 3 Gspähnlis pro Kind) und Geniessen der Natur – zu viert als Familie. Denn das Skurrile an der momentanen Situation ist, dass die Bedrohung noch zu wenig nah ist. Niemand in der Verwandtschaft, im Dorf oder im Quartier ist bis jetzt am Virus erkrankt, es hat genügend Lebensmittel zum Einkaufen, der Frühling zeigt sich von seiner schönsten Seite, die Arbeit funktioniert auch von zu Hause aus. Es ist eine trügerische Idylle, die momentan herrscht. Was, wenn wir plötzlich wirklich eingeschränkt werden in unserem Alltag? Die Kids im Haus behalten müssen? Lebensmittel rationiert werden oder Menschen nur noch 1x / Woche (oder Monat!?) ins Migi einkaufen gehen dürfen? Wir von der Polizei verzeigt oder sogar gebüsst werden, wenn wir uns im Freien aufhalten? Selbst dann werden wir nicht aufhören, das Positive zu suchen.
Und wenn wir dann im Herbst irgendwo auf einer Parkbank sitzen und an den April 2020 zurückdenken, dann kommen womöglich Gedanken hoch, wie sie Matthias Horx in seiner Regnose beschreibt:
https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/im-rausch-des-positiven-die-welt-nach-corona/